Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Demokratie-Singles da draußen die mich lesen! Herzlich willkommen zur politisch brisantesten, zur strategisch kniffligsten, ja, zur staatstragendsten Kuppelshow des Jahres! Die Spannung knistert, die Luft flimmert, denn nach dem jüngsten Paukenschlag aus Köln, verkündet vom Bundesamt für Verfassungsschutz , ist es nun amtlich: die AfD, unsere langjährige Bekannte vom rechten Rand, trägt jetzt das Gütesiegel „gesichert rechtsextremistisch“. Ein Wendepunkt, ein finaler Weckruf, ein schwarzer Freitag für die Demokratie – je nachdem, wen Sie fragen.
Und nun steht das Who-is-who der Politik vor der Mutter aller Partnerwahlen: Welche Strategie wählt man, um mit diesem, sagen wir mal, herausfordernden Kandidaten umzugehen? Ignorieren? Konfrontieren? Kopieren?
Die Einsätze sind hoch, es geht nicht nur um eine Rose oder ein paar Wählerstimmen mehr oder weniger. Nein, es geht um die Stabilität der Republik, um die vielzitierte „wehrhafte Demokratie“. Denn diese Einstufung ist mehr als nur ein neues Etikett. Sie bedeutet potenziell: verstärkte Beobachtung durch den Verfassungsschutz, auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln wie V-Leuten. Man diskutiert offen über AfD-Mitglieder im Staatsdienst – dürfen die noch Beamte sein? Und sie lässt die Rufe nach einem AfD-Verbotsverfahren wieder lauter werden. Die AfD selbst? Gibt sich kämpferisch, spricht von politischer Motivation, kündigt Klagen an und ist doch spürbar hochnervös.
Und als wäre das alles nicht schon kompliziert genug, schaut auch noch das Ausland ganz genau hin. Während die einen die Entscheidung als notwendigen Schritt zum Schutz der Verfassung loben, werfen andere, darunter hochrangige US-Politiker, Deutschland gar „verdeckte Tyrannei“ vor und sehen die Demokratie durch das Vorgehen gegen die Oppositionspartei gefährdet. Ein internationaler Druckkessel, der die Wahl der richtigen Strategie noch brisanter macht.
Aber genug der Vorrede! Holen wir die hoffnungsvollen Kandidaten auf die Bühne! Und mit hoffnungsvoll meine ich hier nicht die Erfolgschancen, sondern lediglich den Umstand, dass ebenjene Kandidaten der Regierung angehören oder wie Carsten Linnemann halt nur dem Bundestag. Seine Entscheidung, die Merz sicher geschadet hat, aber das ist eine ganz andere Geschichte. Schauen wir und die Kandidaten an.
Die Merz-Methode
Hier kommt er, unser erster Kandidat! Ein Mann wie ein Fels in der Brandung – oder vielleicht einfach nur… ein alter Stein? Wir nennen ihn Friedrich M., frischgebackener Kanzler der Republik. Seine Taktik im Umgang mit der frisch als rechtsextremistisch eingestuften AfD? Zunächst einmal: Schweigen. Ein lautes Schweigen? Ein ratloses Schweigen? Oder einfach nur die Ruhe vor dem Sturm?
Die Einstufung durch den Verfassungsschutz platzt mitten in die Zeit des Regierungswechsels, kurz bevor Friedrich M. das Kanzleramt übernehmen sollte. Die scheidende Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hat ihn, wie auch Noch-Kanzler Olaf Scholz und den designierten Nachfolger Dobrindt, zwar vorab über den Schritt informiert. Damit nahm sie ihm die Entscheidung über die Einstufung selbst zwar ab, aber die Verantwortung für den Umgang damit liegt nun bei ihm. International wird das Timing als heikel betrachtet. Wobei, am heikelsten wäre ein Termin vor der Wahl gewesen. Und heikel wäre auch ein Termin nach der Amtsübergabe gewesen, aber dazu später mehr.
Beobachter sehen Merz vor einer „höchst prekären politischen Gratwanderung“. Seine Partei, die Union, zeigt sich in der Frage eines möglichen AfD-Verbotsverfahrens eher zurückhaltend.
Was spricht für den schweigsamen Friedrich?
Einerseits hat die AfD angekündigt, dagegen zu klagen. Das macht sie zwar immer, hatte aber bisher in fünf von sechs dieser Klagen keinen Erfolg. Da kann es durchaus auch geboten sein, die Entscheidung abzuwarten und sich gleichzeitig mehr Zeit zur Festlegung der Strategie zu erkaufen. Erkauft mit dem Unverständnis derjenigen, die jetzt sofort reagieren würden, wie zum Beispiel sein Dauerrivale Daniel Günther, der lieber gestern als heute ein Verbotsverfahren starten würden.
Auch der scheidende Kanzler Scholz mahnte, nichts übers Knie zu brechen.
Schweigen kann Raum geben, die vielfältigen Reaktionen abzuwarten und zu analysieren.
Wer nichts macht, kann auch keine Fehler machen. Der Stachel des Gegenwinds auf den provozierten und fehlgeschlagenen Schulterschluss mit der AfD bei der Migrationsabstimmung sitzt noch tief. Dann die 180 Gradwende beim Thema Schulden. Wann immer Merz irgendetwas tat, brachte es ihm Gegenwind ein. Das ist zwar Teil des Politikgeschäftes, aber in der Stärke schon arg. Merz wird schon vor Amtsantritt als viel schwächer eingeschätzt, als es Habeck je war. Und das will schon was heißen. Zudem kennt die Politikwissenschaft das „Ignorieren“ durchaus als mögliche, wenn auch riskante Strategie.
Fassen wir zusammen, Merz hat jedes Fettnäpfchen mit Anlauf genommen, was rumstand. Und das Thema Umgang mit der AfD ist so aufgeladen, dass er egal wie, den falschen Ton treffen würden. Dann doch lieber den Mund halten.
Allerdings wird Friedrich in dieser Woche wohl zum Kanzler ernannt. Und an die Position sind die Erwartungen nach Haltung und Orientierung sehr hoch. Wenn der zukünftige Kanzler schweigt, überlässt er anderen das Feld. Die Gefahr: Das Narrativ der AfD (die politische Verfolgung) oder das Narrativ der Kritiker (die Verharmlosung durch die Regierung) verfängt sich, bevor er ihre eigene Position klar formuliert hat(First-Mover-Effekt).
Zu guter Letzt besteht die Gefahr, dass trotz aller offiziellen „Brandmauer“-Beteuerungen das Schweigen als Indiz gewertet werden könnte, dass man sich Türen offenhalten will. Das würde auch den Bedenkenträgern in die Karten spielen, dass das Amt für Jens Spahn, der Fraktionsvorsitz mehr als ein Freundschaftsbeweis ist. Unionsintern wird Spahn als so machtbesessen dargestellt, dass nicht ausgeschlossen ist, dass er sich mit den Stimmen der AfD zum Folgekanzler auf Merz küren lassen würde. Das enttäuscht diejenigen, die eine unmissverständliche Abgrenzung fordern.
Man kann davon ausgehen, dass er weiß was er tut. Er muss einen Balanceakt vollführen: zwischen den Hardlinern in der Union, die klare Kante fordern, den Pragmatikern, die AfD-Wähler zurückgewinnen wollen , den juristischen Unwägbarkeiten und der kritischen Beobachtung aus dem Ausland.
Die Dobrindt-Devise: Wegregieren!
Ring frei für Kandidat Nummer Zwei! Hier kommt Alexander D., der designierte Innenminister aus Bayern, mit einer zupackenden Ansage: Die AfD? Die muss man nicht verbieten, die muss man „wegregieren“!. Das klingt doch nach Tatkraft, nach Ärmel hochkrempeln, nach Problemlösung! Aber Moment mal, was heißt das denn nun genau? Heißt das, die Sorgen der Bürger so gut zu adressieren, dass niemand mehr die AfD braucht? Oder heißt das vielleicht doch, bei den Themen der AfD kräftig zu wildern, um deren Wähler anzulocken?
Alexander Dobrindt (CSU) positioniert sich klar gegen ein AfD-Verbotsverfahren. Seine Begründung: Das würde jahrelang dauern und wäre nur „Wasser auf die Mühlen der AfD“, die sich dann als Opfer inszenieren könnte. Stattdessen müsse man die Partei politisch stellen und durch gute Regierungsarbeit überflüssig machen. Gleichzeitig verfolgt die Union insbesondere in der Migrations- und Asylpolitik einen Kurs, der sich inhaltlich stark an Forderungen orientiert, wie sie auch die AfD erhebt: strikte Begrenzung, schnellere Abschiebungen, Grenzkontrollen, Sach- statt Geldleistungen, Aussetzung des Familiennachzugs. Und nach eigenem Bekunden, sollen diese Maßnahmen sehr schnell nach Regierungsübernahme umgesetzt werden.
Was spricht für den Weg von Dobrindt?
Ganz ehrlich: nichts!
Dobrindt geht der irrigen Annahme aus, es würde irgendwie reichen, den kleinen Finger zu reichen. Wird es nicht! Auch wenn die Idee gut klingt: zügige Umsetzungen zeugen von Umsetzungswillen und Entschlossenheit. Das klingt nach Aufbruch und Vision. Indes zeigen die letzten Wahlen(hab ich ja viel drüber geschrieben) das es eine einzige Partei gab, die es auch nur ansatzweise Stimmen der AfD streitig zu machen: das BSW. Nur hat ebenjenes die Bundestagwahl verloren und es gibt viele Querelen und Austritte. Mehr dazu hier:
Zurück zu Dobrindt.
Indem man die Themen der AfD aufgreift(a.k.a. kopiert, damit kokettiert die AfD ja auch mittlerweile sehr offen) und mit ähnlichen Maßnahmen reagiert, läuft man stets Gefahr, rechtspopulistische Positionen salonfähig zu machen. Die Grenze zwischen notwendiger Problembearbeitung und Anbiederung an rechte Stimmungen verschwimmt. Die große Frage: warum die Kopie wählen, wenn es das Original gibt?
Die Strategie konzentriert sich zudem auf Sachthemen und ignoriert komplett die tiefere, ideologische Dimension der AfD. Die Einstufung als „gesichert rechtsextremistisch“ basiert ja gerade auf den Verstößen gegen die Menschenwürde, einem völkischen Volksbegriff und Demokratiefeindlichkeit – Aspekte, die durch „gutes Regieren“ allein nicht verschwinden.
Es ist ein Ritt auf der Rasierklinge: Man versucht, Wähler vom rechten Rand zurückzulocken, ohne die eigene Basis in der Mitte zu verlieren und ohne die extremistischen Narrative weiter zu normalisieren. Ob dieser Spagat gelingen kann, ist mehr als fraglich.
Linnemann, Der Protest-Versteher
Carsten Linnemann, Generalsekretär der CDU, der Mann mit dem großen Herzen für… ja, für wen eigentlich? Sein Credo im Umgang mit der AfD und ihren Wählern: Schluss mit dem „Nazi-Bashing“ und dem „Brandmauergerede“!. Die meisten AfD-Wähler seien doch nur aus Protest dabei, frustriert, abgehängt. Ein Mann, der zuhören will, der Verständnis zeigt. Aber ist das Empathie oder gefährliche Naivität?
Spoiler: Letztes!
Linnemann hat mehrmals öffentlich gefordert, die pauschale Verurteilung der AfD und ihrer Wähler zu beenden. Das Nazi-Bashing mache die Partei nur größer. Er differenziert zwar: Ja, es gebe Rassisten und Antisemiten in der AfD, aber die Wähler seien eben oft nur unzufriedene Protestwähler. Diese müsse man inhaltlich überzeugen, statt sie mit der „Nazi-Keule“ zu vertreiben.
Natürlich muss man Linnemann ein Stückweit recht geben. Die Nazi-Keule wird aktuell sehr gern und oft geschwungen. Indes, beim einem Teil des Klientels verfängt das gar nicht mehr. In einem Deutschlandtrend der ARD meinten zwei drittel der AfD Wähler, dass es ihnen egal wäre, dass die AfD als rechtsextrem gilt, so lange sie die richtigen Themen anspricht. Im Selbstverständnis der AfD Wähler gilt es ja schon als rechtsextrem, wenn man einen Benziner fährt oder Fleisch ist. Generell hat sich die Kommunikationsstrategie der AfD komplett auf 3 Bereiche konzentiert:
- wir sind das Opfer
- den staatlichen Institutionen kann man nicht vertrauen
- Ausländer sind eine Gefahr
Eine Anbiederung kann da nicht erfolgreich sein. Eine Deeskalation, ein Verständnis, eine Konfliktscheue, alles Wischi-Waschi.
Und dieses Wischi-Waschi passiert auf dem Rücken von Betroffenen. Menschengruppen, die von der rassistischen, menschenverachtenden Rhetorik und Politik der AfD direkt betroffen sind, fühlen sich durch eine solche Verharmlosung vor den Kopf gestoßen. Sie erwarten klare Kante und Solidarität, kein Verständnis für die Wähler einer extremistischen Partei.
Linnemanns Versuch, eine klare Trennlinie zwischen der (bösen) Partei und den (nur protestierenden, also irgendwie unschuldigen, *LOL*) Wählern zu ziehen, erscheint nach der Einstufung der gesamten Partei als rechtsextremistisch nicht mehr haltbar.
Linnemanns Strategie läuft Gefahr, diesen Wählern eine Art Absolution zu erteilen, sie aus der Verantwortung für ihre Wahlentscheidung zu entlassen.
Klingbeil -der Politische Ringer
Ein weiterer Bewerber betritt die Arena! Lars K., der designierte Vizekanzler und SPD-Chef , kommt mit einer klaren Ansage: Die AfD muss man politisch „kleinkriegen“! Klingt nach Kampfansage, nach direkter Konfrontation im politischen Ring. Aber was steckt genau dahinter? Ist das reiner Schlagabtausch oder eine durchdachte Strategie?
Lars Klingbeil betont immer wieder die Notwendigkeit, die AfD politisch zu stellen und zu bekämpfen. Er zeigt sich skeptisch gegenüber einem Verbotsverfahren als alleinigem Mittel, da dies langwierig sein und der AfD in ihrer Opferrolle nutzen könnte. Stattdessen fordert er, dass die neue Regierungskoalition unter Kanzler Merz, der er selbst als Vizekanzler angehört, schnell handelt, das Gutachten des Verfassungsschutzes auswertet und Konsequenzen zieht. Der Kern seiner Strategie: Durch gute Regierungsarbeit, die den Menschen Sicherheit und Zuversicht gibt, durch einen besseren politischen Stil und durch die inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD, soll dieser der Nährboden entzogen und sie „kleingekriegt“ werden. Dabei will er AfD-Wähler zurückgewinnen, ohne sie pauschal zu diskreditieren , während er gleichzeitig die Partei selbst und ihre Führung klar als rechtsextrem benennt.
Ich bekomme manchmal echt einen richtigen Hals, wenn ich noch mehr von dem Schwachsinn der „guten Politik“ höre. Aber hey, gibt es denn keine gute Politik? Doch die gibt es:
Gute Politik denkt nicht in Wahlergebnissen,
gute Politik denkt an Alle
und gute Politik denkt voraus.
Und dann haben wir einen Koalitionsvertrag, der das riesige Thema Rente weit weg von sich schiebt. Der notwendige Investitionen mit einem Sternchen versieht, Finanzierungsvorbehalt. Der halt rhetorisch Orientierung gibt, aber faktisch versagt. Und in einer globalen Weltwirtschaft passieren Dinge. Weltwirtschaftskrise, Corona, Putin, Trump. Die Resilienz Deutschlands ist nicht wirklich besser geworden.
Die Qual der Wahl: kein Happy End in Sicht?
So, lieber Leser und Leserinnen. Jetzt haben wir den Salat. 4 Methoden, alle belegt inneffektiv. Aber warum ist der Umgang mit der AfD eigentlich so schwer?
Weil die AfD eben nicht nur ein politischer Gegner wie jeder andere ist. Sie ist, wie nun bestätigt, eine gesichert rechtsextremistische Bestrebung. Sie agiert bewusst mit Provokation, Polarisierung und der Delegitimierung demokratischer Institutionen, um den Diskurs zu verschieben und eine eigene Parallelöffentlichkeit zu schaffen.Wir reden über Entfremdung von der Politik, über Anti-Establishment bis hin zu einer tatsächlichen Zustimmung zu autoritären, rassistischen und nationalistischen Positionen. Eine simple Strategie wird dieser Komplexität nicht gerecht. Die Einstufung als „gesichert rechtsextremistisch“ verschärft das Dilemma nun zusätzlich: Ein einfaches Ignorieren ist kaum noch zu rechtfertigen, eine Anbiederung wäre fatal, aber auch die reine Konfrontation birgt Risiken – sie kann den Opfermythos der AfD befeuern und zur weiteren Radikalisierung beitragen.
Vielleicht liegt das Kernproblem aber noch tiefer. Alle vorgestellten Strategien sind primär reaktiv. Sie kreisen um die AfD, versuchen, sie zu managen, ihre Wähler zurückzugewinnen oder ihre Wirkung einzudämmen. Sie lassen sich die Agenda von der AfD diktieren. Solange die etablierten Parteien aber hauptsächlich auf die AfD reagieren, statt proaktiv eine eigene, positive und überzeugende Vision für alle Bürgerinnen und Bürger zu entwickeln und umzusetzen, geben sie der AfD indirekt Macht. Eine wirklich erfolgreiche Strategie müsste vielleicht darüber hinausgehen, die AfD nur zu bekämpfen. Sie müsste die Ursachen für ihren Erfolg – den Vertrauensverlust in die Politik, die soziale Spaltung, die Zukunftsängste – mit glaubwürdiger, transparenter gerechter und zukunftsorientierter Politik adressieren, ohne dabei die Narrative der Extremisten zu übernehmen. Die bisherigen Ansätze wirken dagegen oft wie reine Symptombekämpfung.
Schlussakkord
Tja, liebe Demokratiefreunde, das war’s für heute von „Herzblatt für Strategen“. Eine klare Entscheidung? Ein Traumpaar in Sicht? Fehlanzeige! Es bleibt ein Ringen, ein Suchen, ein politisches Vabanquespiel. Für welche Taktik sich unsere Kandidaten und ihre Parteien am Ende entscheiden werden und ob daraus die große Liebe zur demokratischen Stabilität erwächst wird die Zukunft zeigen.