Kinderbetreuung ist kein Geschenk an die Eltern, sondern an die Wirtschaft.
Oliver Welke, Heute Show, 14.10.2022
Kitakrise äußert sich in Deutschland in unterschiedlichen Ausprägungen, da ist die alte Grenze zwischen Ost und West noch deutlich erkennbar. Und Berlin tickt sowieso noch mal anders.
Fakt ist, läuft es nicht in den Kitas, darum ergibt das Probleme für die Eltern, wenn diese berufstätig sind und schließlich auch für die Betriebe. Selbst der Bundesverband der Deutschen Industrie kommt zu dem Schluss, dass Investitionen in die Infrastruktur nötig sind. Kitas, Schulen und Hochschulen gehören nach eigenen Angabe dazu und machen über ein Viertel der vom Industrieverband geforderten Investitionen von 400 Milliarden aus.
Die Unternehmen haben ein hohes Eigeninteresse daran, dass Kinderbetreuung gut und regelmäßig stattfindet. Dass beweist auch die ständig steigende Anzahl von Betriebskitas und den betrieblich gebuchten Plätzen in Kitas, die „Betriebskita light“.
Insofern ist es schäbig, dass die SPD in Berlin hier versucht, Kitas gegen Unternehmen auszuspielen. Die Anwalt der Arbeitnehmer war einmal.
Anyway, haben wir da nicht die Eltern vergessen? Ich denke nicht!
Als Vorsitzender eines Kita-Elternbeirats sehe ich, dass die Eltern genau wie die Unternehmen und die Kita-Angestellten wollen, dass es ihrem Kind in der Fremdbetreuung gut geht. Und das geht eben nur, wenn es der Betreuung gut geht. Ich bin kein Mediziner, aber ein Freund der Zahlen. Wenn es in diesem Berufsfeld zu massiv über dem Schnitt liegenden Krankheitsausfällen, viele durch Überlastung, kommt, dann läuft da etwas schief.
Der Schlüssel ist der Schlüssel
Ganz Kurz, der Betreuungsschlüssel gibt an, wie viele Kinder eine Erzieherin betreut. Der Ü3 (Kinder über 3 Jahre)Schlüssel sollte laut Experten bei 7,5 liegen. Da ist Berlin schon nah dran, hat aber wie viele (alte) Bundesländer mit solch einem Schlüssel das Problem, das dafür benötigte Personal zu finden. Was dann bleibt ist Vertretung, Überlastungsanzeigen und Burnout. Auch wenn es in den letzten Jahren viele Verbesserungen gab, was das Thema Ausbildung angeht, so fehlt das Personal.
Der Schlüssel im Osten
Kitakrise im Osten sieht dabei komplett konträr aus. Nicht zuletzt durch die Wahlen in den neuen Bundesländern wurde ein Fokus gelegt auf viele regionale Besonderheiten wie Altersstruktur oder geringe Geburtenrate. Was selten thematisiert wird, ist das Vermächtnis der DDR, was den Betreuungsschlüssel angeht. Erinnern wir uns, der von Experten empfohlene Schlüssel liegt bei 7,5. In der DDR lag dieser bei 13. Und Sachsen hat es geschafft, diesen Schlüssel in bald 35 Jahren auf Trommelwirbel 12 zu senken.
12, zwölf, eine Erzieherfachkraft in Sachsen betreut deutlich mehr Kinder, fast doppelt so viele, wie eine Erzieherfachkraft in den alten Bundesländern, zu deutlich geringerem Lohn.
Zusammen mit der niedrigen Geburtenrate ergibt sich dabei eine Chance oder ein Problem, wie es die Politik nennt.
Die Chance ist klar erkennbar: Wir haben eine Situation, in der ein Erzieher- oder Kitaplatzüberschuss herrscht. Beste Situation, um den Schlüssel perspektivisch um ein oder zwei Kinder zu verringern.
Oder und das ist der Weg, den Sachsen geht, Kitas zu schließen.
Alles muss sich ändern, damit alles bleibt, wie es ist.
Der Leopard -Giuseppe Tomasi di Lampedusa.
Was mir ja an der Politik aktuell fehlt, ist die langfristige Vision. Was denkt man sich, was in 10 Jahren ist?
Wenn man jetzt Kitas schließt, geht ein Teil des Personals weg. Ein Teil in die Rente, ein Teil, der regional nicht so gebunden ist, also die jungen Fachkräfte, geht in den Westen, wo sie gebraucht werden, wo sie mehr verdienen, wo sie bessere Arbeitsbedingungen vorfinden.
Welch Blauäugigkeit setzt es voraus, dass es langfristig auch funktioniert, wenn die Geburtenrate wieder anzieht, dass man hier weiter die Situation, um die uns andere Bundesländer beneiden, allen einen sicheren Kitaplatz anbieten zu können, weiter aufrecht erhalten zu können?