Gedanken zur Landtagswahl Sachsen 2024

Vor der Wahl ist die Zeit des Wahlkampfes, nach den Wahlen beginnt die Zeit der Analysten. Dabei sind neben den Ergebnissen vor allem andere Details beängstigend.

Wahlbeteiligung

Die alte Faustformel, umso höher die Wahlbeteiligung, desto weniger Prozente holen die extremen Ränder gilt nicht mehr. Mit 74.4% gab es einen Rekord für Wahlbeteiligung bei einer Landtagswahl in Sachsen, fast anderthalbfach so hoch, wie bei der Wahl mit der schlechtesten Beteiligung 2014 von 49,2%.

Die Gründe dafür sind wohl vor allem in der Berichterstattung der Medien zu suchen. Schicksalswahl war wohl das präsenteste Schlagwort um die Gefahr, dass zum ersten Mal eine ultrarechte Partei den Wahlsieger stellt, vor allem vor dem historischen Hintergrund in unserem Nachbarbundesland Thüringen. Das aktivierte dabei beide Lager, diejenigen, welche der AfD zu diesem Sieg verhelfen wollten sowie die Demokraten, die ebenjenes selbstverständlich verhindern wollte.

Die Jugend

Am wenigsten überrascht nach den Ergebnissen der EU-Wahl und der U18 Wahl, dass auch hier die jungen Menschen zu meist für die AfD abstimmten.
Und immer noch gibt es keinen Ansatz außer „es fehlt politische Bildung“ und „wir müssen es besser erklären“. Die mittlerweile schon als hohle Phrasen bekannten paternalistischen Sprüche fehlen bei keiner Wahlanalyse. Führten bisher noch nie zu Veränderungen, geschweige denn Verbesserungen. Man kann es nicht mehr hören. Vor allem, wenn es bei den jungen Menschen als „du bist einfach zu dumm zum wählen“ wahrgenommen wird. Die Arbeit der Ampel hat bisher gezeigt: es gäbe Ideen, die Situation von jungen Menschen und Familien zu verbessern, aber die kosten allesamt Geld. Geld welches nicht da ist oder zumindest von der FDP nicht freigegeben wird, Schuldenbremse halt. Hat die Jugend halt Pech gehabt.

Die FDP

Apropos Pech gehabt. Kein Geld mehr da ist übrigens auch für die FDP Sachsen. Die Lust am Streit, welche schon in der Ampel ständig erkennbar ist führte in Sachsen zum Zerwürfnis mit dem altgedienten Holger Zastrow, welcher mit Team Zastrow selbst antrat. Team Zastrow erreichte zwar auch Ergebnisse unter ferner Liefen, könnte aber der FDP die paar Stimmen gekostet haben, die für die Parteienfinanzierung notwendige Überschreitung der 1% Hürde nötig gewesen wären. Sachsen war noch nie ein leichtes Pflaster für die Liberalen. Der Aufprall ist aber schon extrem hart.

Die freien Wähler

Dank Direktmandat wahrscheinlich im Landtag vertreten ist Grimmas Bürgermeister Matthias Berger. Der Konjunktiv ist dem Fakt geschuldet, das er sich noch gar nicht so sicher ist, ob er selbst das Mandat annimmt. Spannend vor allem, weil sich der sächsische Landesverband gegen das Kooperationsverbot mit der AfD des Bundesverbandes hinwegsetzt. Man besetzt eine konservative nach rechts offene Politik, deren Wählerpotential sich offenbar auf die freien Wähler konzentriert hat und die restlichen Bewerber um diese Position wie WerteUnion, Bündnis Deutschland und die Basis zur Bedeutungslosigkeit degradiert hat.

Ganz unbedeutend ist dieser Sitz aber nicht, wenn man sich die Sperrminorität anschaut. Da fehlt der AfD genau dieser eine Sitz.

Die Linken

Ebenfalls von Streit und Spaltung betroffen sind die sächsischen Linken, welche nur im Landtag sitzen, weil es die Partei schaffte, 2 Direktmandate in Leipzig zu holen. Kennt man ja aus der letzten Bundestagswahl. Die Vollkatastrophe konnte somit nach dem Heckmeck mit der BSW verhindert werden.

Das BSW

Das BSW holte aus dem Stand zweistellige Ergebnisse und gilt nun sowohl in Sachsen, als auch in Thüringen als Königsmacher, wenn es darum geht tragfähige Koalitionen zu bilden. Da hat die CDU nun ein ernsthaftes Problem. Das BSW ist in seiner sektenartigen Struktur noch eine landespolitische Blackbox. Viel wurde über Bundesthemen gesprochen, die auch in den aus dem Saarland gesteuerten Koalitionsverhandlungen Bedingung für eine Zusammenarbeit sein sollen. Dagegen regt sich Widerstand in den anderen Bundesländern. Das Kretschmer mit anderen Augen als die Bundespartei auf den Krieg in der Ukraine schaut, ist hinlänglich bekannt. Das birgt viel Zündstoff. Aber nicht beim BSW.

Die CDU

Die CDU hat die Wahl gewonnen. Kann man so sagen, ehrlicher wäre es zu sagen, sie wurde stärkste Kraft. Mit dem schlechtesten Ergebnis, dass eine CDU je in Sachsen erreicht hat.

Seit die AfD erstarkt ist, gibt es das Thema Leihstimmen und taktisches Wählen. Und wenn man in den Analysen die Gründe für das Kreuz bei der CDU anschaut, fällt auf, dass mehr als die Hälfte der Wähler ihr Kreuz dort machten, um die AfD zu verhindern.

Für mich klingt es wie Hohn, dass eine Partei, die mit ihrem Weg AfD-Positionen normalisiert hat und laut Soziologen und Politikwissenschaftlern für die Erfolge der AfD mit verantwortlich gemacht wird, sich glaubhaft als antifaschistisches Bollwerk präsentieren konnte. Erinnert sich noch jemand an den Satz von Merz, er traue sich zu, die AfD zu halbieren? Oder die Diskussion, wie hilfreich das TV Duell zwischen Voigt und Höcke für welche Partei war?

Anyway, die CDU ist mit der Hilfe von Leihstimmen zur stärksten Kraft geworden. Hat dabei der AfD keine Stimmen abnehmen können und die Grünen in eine existenzielle Krise gestürzt.

Die AfD

Okay, reden wir vom Elefanten im Raum, der AfD. Und davon, wie immer noch kein Mittel gefunden wurde, der AfD Stimmen abzunehmen.

Zugegeben, in den letzten 5 Jahren, die mit Corona, Ukraine, Klima und Gaza den Deutschen das Wort Polykrise beigebracht haben, ist es für jede Partei in der Opposition sehr einfach gewesen, bei allen Entscheidungen darauf zu beharren, dass man es doch besser gelöst hätte und die Aktiven einfach unfähig sind. Diese Art der destruktiven Opposition hat die AfD in den letzten Jahren verfeinert und sich vor allem im Bereich Social Media deutlich besser aufgestellt.

Die Wählerschaft konnte damit über die letzten Jahre konstant in Spannung gehalten werden. Zunehmend wurden auch die alternativen Medien und Akteure auf Social Media in einer Art Symbiose zu modernen Wahlhelfern. Impfskeptiker, Esoteriker, Cryptojünger, Friedenskämpfer und Börsencrashpropheten wurden zu anschlussfähigen Gruppen.

Schaut man sich die Wählerwanderung an, so ist bei der AfD ein Zufluss aus allen Partei zu erkennen und es gibt eine einzige Partei, an welche die AfD verloren hat: das BSW, das mit ähnlich populistischen und faktenverdrehenden Taktiken eine destruktive Opposition darstellt.

Das lässt den verstörenden Schluss zu, dass keine der bisherigen Taktiken geholfen hat, Wähler zurück zu gewinnen.

Nicht die Demaskierung der Parteimitglieder, die mit rassistischen, sexistischen und antimuslimischen Zitaten auffielen oder die Zeit des Nationalsozialismus oder gar den Holocaust leugnen.

Nicht die Erklärung des Wahlprogrammes, dass dem Großteil der Wähler selbst schaden würde.

Nicht die großen Demonstrationen gegen Rechts.

Nicht die Talkshows oder Diskussionen, in die Mitglieder der Partei eingeladen wurden.

Nichts davon hat geholfen, es sind mehr Wähler geworden und diese haben ihre Meinung verfestigt. War bei der letzten Wahl der größte Anteil derer, die aus Protest die AfD wählte, so überwiegt nun der Anteil derer, die mit dem Programm einverstanden sind.

Man kann fast den Eindruck gewinnen, dass der Instrumentenkasten erschöpft ist und nichts geholfen hat. Sehr treffend beschreibt das Josef Schuster, der Präsident des Zentralrates der Juden:

Deutschland taumelt. Können wir uns von diesem Treffer erholen?

Denn jetzt ist die Frage, was nun? Welche Maßnahme kann denn überhaupt noch helfen, diese Entwicklung zu stoppen? Klar ist nur: Aufgeben ist keine Option!

Schließen möchte ich mit einem Zitat des Bundeskanzlers Olaf Scholz beim Bürgerdialog kurz nach der Wahl.

Haben sie da ein Patentrezept? Ich frage für einen Freund.

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