Die Corona-Pandemie muss aufgearbeitet werden. Das ist für mich eine vollkommen normale Forderung. Auch wenn Corona noch nicht vorbei ist, so sind die politischen Maßnahmen doch schon seit einiger Zeit vorbei und man hätte genug Abstand, um dass alles nochmal aufzuarbeiten.
Dass die Ampelregierung das nicht mehr in dieser Legislaturperiode durchführen will, stößt nicht nur bei mir auf Missverständnis. Selbst das prägendste Gesicht der Pandemie, der Gesundheitsminister Karl Lauterbach, macht sich für eine Aufarbeitung stark. Mit Christian Drosten, Bodo Ramelow, Armin Laschet, und vielen anderen, stehen ihm da einige bei.
Aktualität erhält das Thema dabei nicht nur, weil das BSW einen Corona-Untersuchungsausschuss als Bedingung für Koalitionsverhandlungen nach den Ostwahlen machte. Auch dass die Protokolle des Robert-Koch-Instituts erst geschwätzt und später ohne Schwärzung als #RKILeaks in den Umlauf kamen sorgte für eine Neuauflage der Diskussionen. Und das Bekanntwerden, dass Millionen für Optionen für Beatmungsgeräte durch Jens Spahn beauftragt wurden macht die Sache nicht besser.
Die Gretchenfrage dabei bleibt jedoch, wie und mit welchem Zweck so eine Aufarbeitung stattfinden kann. Die Ansprüche sind hoch. Einerseits sollen die Maßnahmen nach Wirksamkeit und Rückhalt bewertet werden um so für künftige Pandemien besser vorbereitet zu sein. Zum anderen, und hier wird es ungleich schwerer, soll sie auch gesellschaftliche Risse wieder kitten.
Aufarbeitung durch die Medien?
Eine Aufarbeitung in Form einer Dokumentation wie von Eckart von Hirschhausen oder einer Show wie von Mai Thi Nguyen-Kim können dabei fast ausschließlich die wissenschaftliche Seite betrachten. Natürlich sind sie Instanzen in ihrem Gebiet. Aber auch schon in der Pandemie wurden beide Wissenschaftler Ziel der Gegenseite. Da wurde Hirschhausen durch Spenden der Bill Gates Stiftung Bestechlichkeit vorgeworfen. Mai Thi wurde wegen ihrer Haltung Pro Impfung attackiert. Keine besonders geeigneten Protagonisten, wenn es um die Überwindung der Spaltung geht.
Dass es auch zusätzliche eine politische und eine soziale Komponente gibt, bleibt dabei außen vor. Auch dass mediale Berichterstattung Teil der Corona-Kritik ist, macht diesen Weg zum nicht optimalen.
Aufarbeitung durch eine Enquetekommission?
Spannender war hier die Idee einer Enquetekommission, welche sowohl von FDP als auch von den Linken bevorzugt wird. Was das ist? Ein Viertel des Bundestages muss dafür sein, eine solche einzusetzen. Danach bestimmt der Bundestag den Auftrag und die Mitglieder(Abgeordnete und externe Experten) der Kommission. Die Gefahr die ich hier sehe ist natürlich folgende: möglicherweise besteht diese Kommission dann aus genau den selben Mitgliedern, die an den Entscheidungen beteiligt waren.
Sprich die aktuelle Ampelregierung stellt ein Team zusammen, dass die Coronapolitik der Ampel und der Großen Koalition vorher bewerten soll. Hier kann man durchaus Erkenntnisse gewinnen, was politische und soziale Komponenten angeht, bei der Spaltung wird das wenig helfen.
Aufarbeitung durch einen Bürgerrat?
Olaf Scholz sagte im Sommerinterview, er bevorzuge einen Bürgerrat. Was ist das? Da werden zufällig Bürger ausgelost, mit einer Aufgabenstellung versehen und von bestellten Experten beraten.
Ich bin ja bei Volt und generell finden wir ja Bürgerbeteiligung richtig wichtig. Dass nicht alle Probleme damit gelöst sind, beweist zum einen der Podcast, den ich schon letztens im Wochenrückblick verlinkt habe.
Zum anderen hatten wir in Deutschland bisher genau einen Bürgerrat und das war ein totales Desaster. Von den Empfehlungen wurde nur das umgesetzt, was nichts kostet. Ein Aussteiger-Mitglied erzählte da absurde Geschichten über Indoktrinierung. Man merkt schnell: Das Potential ist riesig. Hier könnte man das Maximum an Erkenntnissen gewinnen, weil die Entscheidungsträger eben die Bürger sind. Das Spektrum an Wissenschaft, Politik und Medien könnte abgedeckt werden. Doch sind deren Erkenntnisse und Entscheidungen nicht bindend. Und durch die schon stattgefundene Diffamierung des Bürgerrates ist auch hier eine Reduzierung der Spaltung nicht zu erwarten.
Aufarbeitung durch einen Untersuchungsausschuss?
Hier reden wir nicht mehr von einer bundesweiten Aufarbeitung, sondern nur noch von den Ländern Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Ähnlich wie bei der Enquetekommission wird hier eine Gruppe aus Abgeordneten und Experten gebildet, die den Verhältnissen im Landtag entsprechen. Und genau da liegt das große Problem: BSW und AfD, die beide sehr coronakritische Positionen einnehmen haben hier etwa die Hälfte der Sitze. Es wird also zu der Situation kommen, dass genauso viele Mediziner anwesend sein werden, die den Nutzen der Impfung höher bewerten als die Gefahr durch Nebenwirkungen wie es Mediziner geben wird, die vom Gegenteil überzeugt sind. Genauso viele Rechtsgelehrte, die Lockdown gerechtfertigt sehen, wie die Gegenseite. Und so weiter. Das Schema ist klar und hat einen Namen: false balance.
Der Erkenntnisgewinn wird hier am geringsten sein und die Spaltung eher noch voranbringen. Das ist das gefährliche Spiel, auf das sich die CDU und auch die SPD einlassen.
Und nun?
Ich bin davon überzeugt, dass auch eine intensive Aufarbeitung die Spaltung nur sehr bedingt überwinden kann. Zu tief die Gräben, zu groß der Vertrauensverlust in Medien, Politik und Wissenschaft bei der Gegenseite.
Wenn man besser auf die nächste Pandemie vorbereitet sein möchte, würde ich eine Kombination aus Bürgerrat und Enquetekommission bevorzugen.
Wenn man die Gräben nicht noch tiefer graben will, würde ich jedem von einem Untersuchungsausschuss abraten.